Dominikanerinnenkloster Oetenbach
Vortrag: Dr. Magdalen Bless-Grabher
Mystik, Kunst und feinste Frauenkultur im mittelalterlichen Zürich
Zum Stadtbild von Zürich gehörte bis zum frühen 20. Jh. das markante mittelalterliche Bau-Ensemble des ehemaligen Dominikanerinnenklosters Oetenbach nördlich des Lindenhofs. Es besass den grössten gotischen Kreuzgang der Schweiz und eine ungewöhnlich lange gotische Kirche. 1903 liess die Stadt diese eindrücklichen Bauten grundlos abreissen. Damit verschwanden die Bauzeugen einer einst blühenden Frauenkultur in Zürich. Auf dem verödeten Areal wurde 1974 das unwirtliche Parkhaus Urania gebaut ...
Im 13. Jh. gegründet, war das Dominikanerinnenkloster Oetenbach das grösste Kloster der Stadt Zürich. In seiner Frühzeit umfasste es 200 Nonnen. Sie waren gebildet und theologisch interessiert, manche hatten Kontakt mit bedeutenden Mystikern wie Meister Eckhart und Heinrich Seuse. In einer Zeit, in der fast alle Frauen Analphabetinnen waren, schrieben sie viele Bücher ab oder verfassten selbst welche. Zeitgenossen rühmten den wunderschönen Gesang des Schwesternchors. Ihre mystische Spiritualität äusserte sich im berühmten «Oetenbacher Schwesternbuch» aus dem frühen 14. Jh., das zur ältesten Frauenliteratur der Schweiz zählt. Es enthält die Lebensbeschreibungen zahlreicher namentlich genannter Schwestern, darunter die aussergewöhnliche Selbstbiografie der Elsbeth von Oye. 1525 – vor genau 500 Jahren – hob der Rat der Stadt Zürich das Kloster auf. Anlass genug für einen «Gedenk-Nachmittag» an diese aussergewöhnliche Frauengemeinschaft!